Nur zaghaft wagen sich die ersten Kinder auf die ihnen freigegebene Straße – zu sehr steckt ihnen das alltägliche Gebot in den Knochen: die Straße gehört den Autos! Aber nach nur wenigen Minuten ist der Damm gebrochen. Mit Bällen, Kreide und Rollschuhen werden Asphalt und Pflastersteine erobert und zu Spiel- und Begegnungszonen umgewandelt.
Spätestens seit dem Start der temporären Spielstraße in der Böckhstraße im Sommer 2019, wird dieses Format auch von Anwohner*innen und verschiedenen Initiativen in anderen Kiezen der Stadt gefordert. Nun konnte es, dank einem engagierten Amtsleiter und starkem Rückenwind vom Bezirksamt, innerhalb kürzester Zeit in Friedrichshain-Kreuzberg umgesetzt werden. Am 3.5.2020 startete das bisher einmalige Projekt: die zeitgleiche Realisierung von 19 Spielstraßen in den unterschiedlichsten Ecken des Bezirks.
Auch wenn wir uns alle einen schöneren Anlass für den Eingriff in das gewohnte Straßennutzungsverhalten gewünscht hätten – so freue ich mich trotzdem über die wöchentliche Umnutzung des Straßenlands in meinem Bezirk. Denn seit letztem Sonntag können sich auf 19 ausgewählten Straßenabschnitten Kinder und Erwachsene frei bewegen. Spielen, picknicken, Fahrrad fahren – vieles für was gerade in den letzten Wochen der Raum in der engen Stadt fehlte. Und alles unter der Einhaltung des Abstandsgebots.
Auslöser dafür waren die Diskussionen rund um die Corona-bedingten Einschränkungen für Kinder und Jugendliche im dicht besiedelten Berlin. Kinder brauchen Raum für Spiel und Bewegung. Spielen ist Lernen. Im Spiel erproben Kinder ihr Wirken und Sein. Im Spiel entwickeln Kinder Identität und Persönlichkeit. Wie können wir Kindern diesen Raum unter den Bedingungen eines Shutdowns geben und dabei Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen gerecht werden?
Autos raus – Kinder rein!
Zwar können die Kinder unserer Stadt seit Beginn des Monats wieder die Spielplätze nutzen – aber gerade zu Stoßzeiten ist dort auf Abstände und Niesetikette schwer zu achten. Deshalb gab das Bezirksamt dem Amtsleiter des Straßen- und Grünflächenamt, Felix Weisbrich, grünes Licht dafür, die nächsten zwei Monate auf bis zu 30 Straßenabschnitten des Bezirks regelmäßig Sonntags temporäre Spielstraße einrichten zu können.
Dafür setzt der Bezirk auf die Akzeptanz und Unterstützung von Seiten der Anwohner*innen – in einem niedrigschwelligen Meldeverfahren mussten ausreichend Lots*innen (mindestens 7 pro Straße) gefunden werden, die sich um die Absperrung der Straße, die Einhaltung der Regeln und um aufkommende Fragen von Passant*innen kümmern. Innerhalb von nur wenigen Stunden meldeten sich 280 Freiwillige. Damit konnten alle geplanten Straßenabschnitte realisiert und die Straßen der alternativen Nutzung freigegeben werden.
“Ein Ort, an dem die Nachbarschaft zusammenkommen kann”
“Die temporäre Spielstraße ist nicht nur für Kinder zum Spielen, sondern sie ist ein Ort, an dem die Nachbarschaft zusammenkommen kann. So war es auch in der Richard-Sorge-Straße. Ich fand es toll – insbesondere nach diesen langen Wochen – am Sonntag so viele Menschen zusammen zu sehen, so viele Kinder, die mit Kreide gemalt und gespielt haben. Es war richtig spürbar, wie Kinder und Familien aufgeatmet haben und den vielen freien Raum genossen und ihn gern eingenommen haben.”
Anja V., Anwohnerin der Richard-Sorge-Straße
“… so viel Platz inmitten der Stadt. So was hätte ich als Kind auch echt gerne mal gehabt. Total toll!”
Magnus H., Anwohner Samariterstraße
Ich hoffe, dass das Konzept der temporären Spielstraßen auch jenseits der 2-monatigen Testphase in unserem Bezirk bestehen bleibt. Und danke allen Beteiligten und vor allem den Ehrenamtlichen für Kraft, Mut und Engagement!
Weitere und aktuelle Informationen zum Stand des Projektes erhalten Sie auf den Seiten des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg.
Presseüberblick:
- Tagesspiegel, 3.5.2020: “Straße frei für Kinder – Friedrichshain-Kreuzberg eröffnet temporäre Spielstraßen”
- Berliner Morgenpost, 4.5.2020: “Wo die Straßen den Kindern gehören”
- Abendschau, 3.5.2020: https://www.rbb-online.de/abendschau/videos/20200503_1930/nachrichten–zwei.html