Durch die rechtswidrige Zuständigkeitsverlagerung der Schulstationen von der Jugendhilfe zur Schulverwaltung im Bezirksfürstentum Neukölln unter Bürgermeister Buschkowsky (SPD) kam ein Thema auf die Tagesordnung, das beileibe nicht nur einen rein rechtlich-adminstrativen Aspekt hat. Vielmehr ist die Fachwelt seit Jahren fast einhellig der Auffassung, dass die schulbezogene Jugendsozialarbeit aufgrund des besonderen pädagogischen Ansatzes und der notwendigen Handlungsräume nicht in die Schulhierarchie eingebunden, bzw. der Aufsicht der Schulämter unterworfen sein darf. Durch das zumindest rein räumliche Tätigwerden der Jugendhilfe auf dem Gebiet der Schule entstehen zwangsläufig gewisse Spannungsfelder, die der unterschiedlichen Funktion und Entwicklung beider Institutionen, nicht zuletzt aber auch der beteiligten Professionen (Schulsozialarbeiter_innen und Lehrer_innen) geschuldet sind. Da Schulsozialarbeit an der Schnittstelle zweier unterschiedlicher Institutionen stattfindet, kann sie nur durch eine gleichberechtigte Kooperation in Form einer gegenseitigen Annäherung bei gleichzeitiger Anerkennung der Differenz wirklich gelingen. Lesen sie hierzu mein ausführliches Positionspapier:
Gelingende Schulsozialarbeit kann nur gedeihen, wenn Jugendhilfe und Schule gleichberechtigt und partnerschaftliche miteinander kooperieren
Ein Problemaufriss und Debattenbeitrag
Vorbemerkung
Die Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe wird seit Jahren unter unterschiedlichen Blickwinkeln entwickelt. Entscheidende Fortschritte auf dem Weg zur gelingenden Kooperation wurden vielerorts gemacht, aber es kam auch immer wieder zu Irritationen, wie zuletzt durch das Vorgehen des Bezirksamtes Neukölln. Insgesamt gibt es aber weiteren Debattenbedarf.
Um von vornherein jegliches Missverständnis zu vermeiden: es geht hier mitnichten um Schuldzuweisungen an bestimmte Institutionen (Schule) oder Professionen (Lehrer_innen), sondern einzig und allein darum, institutionelle oder strukturelle Faktoren zu identifizieren und abzubauen, die Barrieren für die dringend notwendige Kooperation beider Systeme bei der Schulsozialarbeit darstellen.
Es sollte nie vergessen werden, dass es strukturell letztlich um eine Neuorientierung des erweiterten Bildungsauftrages und Bildungsverständnisses geht: die Jugendhilfe sollte eine eigene Stellung bzw. einen eigenen Kompetenzbereich erhalten, die Schule andererseits sollte sich doppelt öffnen: einerseits nach außen zum sozialen Umfeld, andererseits nach innen, indem sie innerhalb der eigenen Räumlichkeiten Voraussetzungen für eine Kooperation schafft! Die in Fachkreisen und inzwischen auch in weiten Teilen der Politik anerkannte Unterscheidung zwischen informellem Lernen als einem Bildungsprozess in Lebenszusammenhängen und dem formalen Lernen in Bildungsinstitutionen wie der Schule sollte auch bei der politischen Absicherung kind- und jugendgerechter Schulsozialarbeit ihren Niederschlag finden!
Ausgangslage des aktuellen politischen Diskurses in Berlin
Schon 2011 wurden im Berliner Bezirk Neukölln unter Bezirksbürgermeister Buschkowsky (SPD) sämtliche Schulstationen als wichtiger Teil der Schulsozialarbeit der Zuständigkeit der Jugendhilfe entzogen und dem Verantwortungsbereich des Schulamtes1 unterstellt. Obwohl damit eine rechtswidrige Organisationsstruktur geschaffen wurde, die nicht nur den Vorgaben des SGB VIII, sondern auch denen des Berliner Schulgesetzes zuwiderläuft, wurde dieses Vorgehen durch den Senat mit einer ziemlich merkwürdigen rechtlichen Argumentation gestützt, deren Fragwürdigkeit von mir diskutiert und kritisiert wurde. Leider handelt es sich aus meiner Sicht nicht nur um ein rechtliches oder administratives Problem, sondern es besteht die Gefahr, so auch der aktuelle Diskurs in der Berliner Jugendhilfelandschaft, dass die seit Jahren mit gutem Grund fast einstimmig angemahnten und teilweise auch erreichten Fortschritte in Berlin und seinen Bezirken in der Schulsozialarbeit wieder gefährdet werden. Es sind vor allem fachliche Gründe, die es notwendig machen, Kooperationsvereinbarungen zu treffen, in deren Rahmen die einzelnen Fachbereiche Schule und Jugendhilfe in klaren Aufgabenverteilungen ausgerichtet an einem gemeinsamen Ziel interdisziplinär zusammenarbeiten.
2008 hatte der 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung für den Bereich der schulbezogenen Jugendsozialarbeit festgestellt: „Ist sie in das Schulsystem integriert (insbesondere bei den ganztägigen Gesamtschulen) und damit in die Schulhierarchie eingebunden, so unterliegt sie der Dienst- und Fachaufsicht durch die Schulleitung. Diese Einordnung kann zu einer starken Vereinnahmung durch die Schule und in der Folge zu einer einseitigen Unterordnung unter die Interessen und Versorgungsbedarfe der Schule führen. Dies befördert den Verlust sozialpädagogischer Freiheitsgrade und Handlungsräume. Schutz vor einer zu engen Einbindung der schulbezogenen Jugendsozialarbeit in das administrative System der Schule bietet demgegenüber die Trägerschaft und die gemeinsame Dienst- und Fachaufsicht in Zuständigkeit der Jugendhilfe.” (BT-Drucks. 15/6014, 268). Es ist also verständlich, wenn auch der Berliner Landesjugendhilfeausschuss angesichts des eigenmächtigen, vom Senat gedeckten Vorgehens des Neuköllner Bezirksbürgermeisters keine andere Möglichkeit mehr sieht, als eine Berlinweite Regelung zu fordern, die berücksichtigt, „dass die mit der Regelung der äußeren Schulangelegenheiten beauftragten Schulämter u.E. für die inhaltliche Steuerung von pädagogischen Angeboten und damit für die Regelung der inneren Schulangelegenheiten werde zuständig noch ausgestattet sind“ (Beschluss des LJHA vom 24.10.2012).
Diese aktuellen Entwicklungen sind aus meiner Sicht mehr als Anlass genug, mit diesem Papier die Notwendigkeit aufzuzeigen, die Berliner Schulsozialarbeit als originäre Aufgabe der Jugendhilfe auch bei dieser zu belassen und als gleichberechtigte Kooperation zwischen den beiden Institutionen Schule und Jugendhilfe zu gestalten. Ich will damit einen Beitrag für einen weitergehenden Diskurs leisten.
Da die Jugendhilfe im Feld der Schulsozialarbeit zumindest räumlich auf dem Gebiet der Schule tätig wird und daher Spannungen zwischen beiden Institutionen und den beteiligten Professionen auftreten können, soll zudem beleuchtet werden, unter welchen (nicht zuletzt institutionellen) Voraussetzungen eine solche Kooperation im Sinne einer gegenseitigen Ergänzung gedeihen kann.
I. Jugendhilfe und Schule – historische tradierte Entwicklung der Grundfunktionen
Schule und Jugendhilfe haben sozialgeschichtlich und systematisch eine unterschiedliche Entwicklung durchlaufen. Die daraus resultierenden Funktionen und Problemstellungen weisen deutliche Unterschiede auf. Die Jugendhilfe war anfänglich primär eine Art „Reparatur – bzw. Räumkommando“, während die Schule neben Familie, Kirche oder Militär zu einer Sozialisationsagentur wurde.
Selbst in Untersuchen, die noch nach der Jahrtausendwende durchgeführt wurden (PISA, Shell-Studien), wurde die Schule als ein System angesehen, das auf Selektion und Qualifikation setzt. Das deutsche Schulsystem reproduziert verfestigte Sozialstrukturen. Daraus entstand eine breite Diskussion und Reformbewegung. Heute haben wir einen erweiterten Blick auf die Schule, als wichtigen Sozialisationsort für Kinder und Jugendliche, wo mehr stattfinden soll, als bloße formale Bildung. In der Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen braucht es aber noch weitere Anstrengungen, um diesen Anspruch auch überall umzusetzen. Dazu bedarf es der Unterstützung weiterer Systeme, Professionen und Institutionen. Sozialpädagogik bzw. Jugendhilfe verkörperte in ihrem traditionellen Selbstverständnis ein Hilfsangebot bei Störungen und Benachteiligungen der Entwicklungsmöglichkeiten von Individuen und ihren Bezugsgruppen im Sinne eines präventiven Zuvorkommens gegenüber Beeinträchtigungen von Lebenschancen. Auch dieses Bild hat sich inzwischen erweitert. „Jugendhilfe versteht sich als ein Leistungsangebot, das eine Unterstützung von Verselbstständigungsprozessen auf freiwilliger Basis bietet und einen Ausgleich sozialer Benachteiligung anstrebt“ (Bettmer/Prüß: 2001, 1532).
Vor diesem Hintergrund ist es sicher hilfreich, sich einmal die Veränderungen zu vergegenwärtigen, die das Verhältnis zwischen Jugendhilfe und Schule in den letzten Jahrzehnten erfahren hat. Angestoßen durch die gesellschaftliche Modernisierung ab den späten 60er Jahren entwickelten sich beide Institutionen zunächst gegenläufig. Jugendhilfe und Schulsozialarbeit standen vor allem in den 70er Jahren der Schule als “gesellschaftliche Prägeinstanz“ zunehmend kritisch bis ablehnend gegenüber, von Seiten der Schule wiederum wurden sie als Konkurrenten und Besserwisser abgetan. Die 80er Jahre hingegen waren dann gekennzeichnet von einer zunehmenden Professionalisierung der Sozialarbeit bzw. Sozialpädagogik. Der sanfte Druck, der durch eine gewisse Desillusionierung gegenüber „revolutionären Perspektiven“ entstand, hatte seinen Anteil. Die Herausforderungen der Zunahme von Jugendarbeitslosigkeit, das genauere Hinsehen im Feld des Kinderschutzes und die Kritik an den bestehenden Systemen und Ansätzen führten auch zu neuen Formen der Kooperation. In den 90er Jahren wurde erst nach und nach ein Wandel im Selbstverständnis von Jugendhilfe und Schulsozialarbeit erkannt. Die Spezifikation von Profilen und Angeboten vor allem der Schulsozialarbeit definierte sich immer weniger entlang der sozialen Milieus, sondern vermehrt anhand konkreter Aufgabenfelder wie Drogen-/Gewaltprävention, Übergang in die berufliche Qualifikation u.ä..
Diese Reichweite wird gerade im schulischen Bereich immer noch unterschätzt. Es geht eben gerade nicht mehr nur um Hilfe bei „schwierigen Fällen“, sondern um ein Qualifizierungs- und Bildungsangebot für alle, nicht zuletzt aber vor allem um eine reflexive Begleitung bei den Erfahrungen des Erwachsenenwerdens, in denen die Schule einen wichtigen, aber nicht zwingend ausschließlichen Platz einnimmt. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist ein Nachdenken über die Art der Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule und deren Rahmen notwendig. Sie sollte von einer Basis der Gleichheit und wechselseitiger Anerkenntnis ausgehen, und eben nicht von einer Rollenverteilung, in der die Schule die Leitkultur vorgibt und die Schulsozialarbeit der Jugendhilfe als Reparaturwerkstatt dient. Olk u.a. haben 2000 zu dieser Problematik in ihrer vielbeachteten Monographie festgestellt, dass „die sozialpädagogische Arbeit in ihrem Bezug zur Schule kaum strukturell verankert, relativ einflusslos auf die Organisation Schule wirkt, insgesamt an deren Peripherie lediglich geduldet wird“ (Olk u.a.: 2000, 198f.).
II. Das Grundverständnis von Schulsozialarbeit und das Berufsbild von Schulsozialarbeiter_innen
In der Literatur finden sich teilweise sehr kritische Diagnosen. So ist die institutionelle Logik der Zuständigkeitsverteilung gerade ein Argument für eine jugendhilferechtliche Trägerschaft der Schulsozialarbeit. Allerdings garantiert eine solche jugendhilferechtliche Trägerschaft weder die Definitionsmacht für den Arbeitsauftrag, noch die Kontrolle über die Erfüllung. Auch als Beschäftigte eines Jugendhilfeträgers laufen sozialpädagogische Fachkräfte Gefahr, innerhalb der Schule in die Rolle eines „Leiharbeiters“ geraten zu können. Ein entscheidender Baustein für die Qualität der Schulsozialarbeit als Leistung der Jugendhilfe ist vor allem die sozialpädagogische Fachlichkeit des Personals (Rademacker: 2009, 18). Diese wiederum ist durch mehrere Aspekte gekennzeichnet. Zunächst besteht der sozialräumliche Zusammenhang, wonach der Sozialraum und all seine Akteure im Rahmen eines ganzheitlichen Bildungsverständnisses einbezogen, sowie auf eine Vernetzung mit sozialen Diensten gesetzt wird. Der ganzheitliche Ansatz berücksichtigt die Gesamtpersönlichkeit von Kindern und Jugendlichen in all ihren Facetten, Lebensräumen und –äußerungen. Der präventive Ansatz legt Wert auf das Erkennen frühzeitiger Benachteiligungen und Fehlentwicklungen sowie das entsprechende Gegensteuern mit geeigneten Methoden. Schließlich soll auch die Partizipation der Kinder und Jugendlichen gefördert werden. Schüler und Schülerinnen als Kinder und Jugendliche sollen hier mit den Zielen der Emanzipation und des eigenverantwortlichen Handelns vertraut gemacht, an Entwicklungsprozessen beteiligt und Mitbestimmung an Lernvorgängen, Strukturen und Projekten ermöglicht werden (vgl. Kooperationsverbund Schulsozialarbeit: 2000, 42). Vor diesem Hintergrund ist auch die Funktionsbeschreibung der Jugendhilfe mehr als nachvollziehbar, wonach deren Aufgabe darin liegt, junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden und abzubauen und dazu beizutragen, dass für Kinder und Jugendliche positive Lebensbedingungen sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt geschaffen werden (Krüger/Zimmermann: 2008, 128).
III. Schulsozialarbeit als Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule – Beispiele und Erfahrungen aus der Praxis
Analysen einzelner Modellprojekte, wie etwa die Beispiele Borken und Düsseldorf (vgl. Deinet/Icking: 2006, 83ff.), die einmal dargestellt werden sollen, geben einen guten Einblick in Modelle gelingender Schulsozialarbeit.
Im Landkreis Borken bestand bis zur Einführung des Modellprojektes keine institutionalisierte Form der Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule. Die Zusammenarbeit fand bestenfalls in Form einzelfallbezogener Hilfen oder präventiver Angebote für ganze Schulklassen statt. Bei der Konzeption des Modellprojekts wurde der öffentlichen Jugendhilfe die Trägerschaft für die Schulsozialarbeit übertragen. Dies sollte u.a. gewährleisten, dass sich die sozialpädagogischen Ansätze von Schulsozialarbeit nicht ausschließlich auf schulische Anliegen beziehen, sondern auch den Jugendhilfeaspekt berücksichtigen. Die Weisungsbefugnis liegt dementsprechend nicht beim Schulleiter. Da die Schulsozialarbeit aber in der Schule verortet ist, wurde die Akzeptanz der Schulsozialarbeiter_innen als Grundvoraussetzung einer gelingenden Schulsozialarbeit festgehalten. Eine Besonderheit bestand darin, dass durch das Jugendamt eine fachliche Begleitgruppe eingerichtet wurde, in der Vertreter_innen der Schule, des Jugendhilfeträgers sowie des Sozialamts vertreten waren. Die Bilanz des im Sommer 2004 beendeten Modellprojektes war insgesamt positiv: Die Kooperationserfahrungen, die Schüler, Eltern und Lehrer mit den Schulsozialarbeiter_innen machen konnten, waren durchgängig positiv – nach Aussagen von Schulvertreter_innen konnten durch die Zusammenarbeit mit Schulsozialpädagog_innen neue Perspektiven beim Umgang mit problematischem Schüler_innenverhalten aufgezeigt werden.
Auch das Modellprojekt der Stadt Düsseldorf hat guten Widerhall in der Fachdebatte erhalten. Hier schloss die Stadt einen Kooperationsvertrag mit 4 Wohlfahrtsverbänden. An allen Haupt- und Sonderschulen wurden Stellen für die Schulsozialarbeit eingerichtet. Die Konzeptionierung erfolgte auf die jeweilige Schule hin. Die Schulsozialarbeiter_innen sind hier nicht auf eine Einzelkämpferrolle an der Schule reduziert, sondern einem Team angegliedert. Institutionell wurde die Schulsozialarbeit als eigenständige und vorwiegend präventive Regelaufgabe der Jugendhilfe (alles auf der Grundlage des SGB VIII) konzipiert. Beide Seiten (Schule und Jugendhilfe) erkannten einander als gleichwertig an und stimmten darin überein, dass sie sich nicht ersetzen, sondern gegenseitig ergänzen. Eine wechselseitige Kenntnis über die jeweiligen Trägerstrukturen und Arbeitsweisen wurde gewährleistet. Als Zielvereinbarung für die Schulsozialarbeit wurde eine „Prävention und Behebung sozialer Störungen“ statuiert, bei der in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten einer gesellschaftlichen Desintegration entgegengewirkt werden soll. Zudem wurde in den Zielvereinbarungen u.a. festgehalten, dass alle Beteiligten den Rahmenbedingungen für die Kooperation zustimmen, für alle Seiten überprüfbar sind und alle die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen ausschöpfen, wozu auch die finanziellen Mittel zählen. Ein wichtiges Detail bestand darin, dass die Rahmenbedingungen für die eingesetzten Fachkräfte vorher zielgerichtet festgelegt wurden: die sozialpädagogischen Vollzeitkräfte werden von den freien Trägern gestellt, die Finanzierung erfolgt durch die Jugendämter. Die Schulen wurden dazu verpflichtet, nicht nur geeignete Räumlichkeiten zur Schulzeit zur Verfügung zu stellen, sondern auch deren Verfügbarkeit in den Ferien zu ermöglichen. Die Schulen sollten eine Lehrkraft mit einem entsprechenden Zeitbudget für die Sozialarbeit benennen. Zusammen mit dem oder der Schulsozialarbeiter_in bildet diese dann ein entsprechendes Team. Auch für dieses Modellprojekt konnte eine positive Bilanz gezogen werden: die Zusammenarbeit beider Institutionen war ein Erfolg! Wichtig war, dass Schulleitung und –Kollegium von dem Konzept überzeugt sein mussten. Die Schule muss nicht nur zur Thematisierung der Schulsozialarbeit in der Lage sein, sondern auch zur Klärung der Rollen einzelner Lehrer_innen sowie zur Gewinnung von Verbindungslehrer_innen. Auf Seiten der Jugendhilfeträger ist es wichtig, die Schule an der Auswahl der jeweiligen sozialpädagogischen Fachkraft zu beteiligen, dieser dann die Gelegenheit zu geben, vor dem Lehrerkollegium zu berichten und eventuell vorhandene Skepsis gegenüber ihrer besonderen Position abzubauen. Von ganz entscheidender Bedeutung ist aber auch die Anbindung an den Träger zur Gewährleistung der Unabhängigkeit sowie der regelmäßige Austausch mit Kolleg_innen, um eine Einzelkämpferposition zu vermeiden.
Für Berlin hat das Abgeordnetenhaus am 09.02.2000 eine Regelfinanzierung für schulbezogene Jugendsozialarbeit in Form von Schulstationen an 30 Berliner Schulen beschlossen (2010 waren es dann immerhin schon 67). Die Angebote wurden endlich zu Regelangeboten, dies jedoch mit der Auflage eines mittelfristigen Nachweises, „dass sich mit der Einrichtung der Schulstationen eine Verminderung der Kostenaufwendungen im Bereich der Hilfen zur Erziehung erreichen lasse“ (Drs. 15/1411). Es handelt sich auch hier um ein Unterstützungsangebot der Jugendhilfe, das deren Fachaufsicht unterliegt und nicht der Schule zugeordnet ist. Seinen gesetzlichen Niederschlag fand dies in der Novellierung des § 5 SchulG, dessen Wortlaut insoweit unzweideutig ist: „die Schulen öffnen sich gegenüber ihrem Umfeld. Zu diesem Zweck arbeiten sie im Rahmen des Bildungs- und Erziehungsauftrags mit den Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe sowie mit außerschulischen Einrichtungen und Personen zusammen, deren Tätigkeit sich auf die Lebenssituation der Schülerinnen und Schüler auswirkt“. Dazu wurden einzelne empirische Untersuchungen auf Bezirksebene durchgeführt, die aber wohl noch keine endgültigen Schlüsse zulassen. Von der Grundtendenz machen sie sichtbar, dass die Schulsozialstationen nicht nur von allen Beteiligten in Anspruch genommen werden, sondern mit der Zeit zunehmende Akzeptanz erfahren. Die Kooperation und Vernetzung im Sozialraum ist ein von Anfang an weitgehend etablierter Standard und als ein positiver Einfluss auf die im Schulalltag Agierenden hinsichtlich des Umgangs mit Konflikten oder Störungen erkennbar (vgl. Pudelko, 2010: 37ff.).
In Sachsen-Anhalt wurde ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt durchgeführt. Dort konnten wertvolle Erfahrungen gewonnen werden. So lautete ein Befund der Begleitforschung, dass Kooperation zwischen Lehrer_innen und Schulsozialarbeiter_innen in der Praxis auf erhebliche Barrieren und Konfliktpotentiale stießen, die ihre Ursache in einem institutionellen und strukturellen Spannungsverhältnis haben. So gibt es auf der Lehrer_innenseite überhöhte Erwartungen an die „Krisenfeuerwehr“. Das Arbeitsfeld der Sozialarbeiter_innen erscheint aus Sicht der Lehrer_innen eher diffus und die Anwesenheit von Sozialarbeiter_innen wird teilweise als implizite Kritik am Berufsstand „Lehrerin“ empfunden. Seitens der Sozialarbeiter_innen wiederum war die Selbstwahrnehmung spürbar, man verfüge letztlich über die bessere Pädagogik, eigene negative Schulerfahrungen können sich dergestalt als Barrieren erweisen, als dass Interaktionsprozesse vermieden werden.
IV. Schulsozialarbeit – Spannungsfelder bei der Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule
Sowohl die Erfahrungen in der Praxis, als auch die Auswertung der Fachliteratur legen bestimmte Spannungsfelder offen, die offensichtlich institutionell bzw. strukturell bedingt sind. Da sich die Schulsozialarbeit an der Schnittstelle zweier Systeme befindet, ist dies auch nicht weiter verwunderlich. Ob die von Olk u.a. vor über 10 Jahren gemachte Feststellung noch zutrifft, dass die Wechselwirkungen zwischen schulischen und außerschulischen Lebensbezügen von Kindern und Jugendlichen von beiden Systemen üblicherweise ausgeblendet werden (Olk/Bathke, Hartnuss: 2000, 17), kann angesichts der durchaus positiven Erfahrungen durchaus bezweifelt werden. Andererseits ist es aber auch einleuchtend, dass die Kooperation unterschiedlicher Systeme in der Praxis immer wieder problematisch werden kann, da Institutionen oft keine wirklichen Partner suchen, sondern eher Hilfen zur Stabilisierung des eigenen Systems. Zudem darf nicht vergessen werden, dass beide Institutionen auf den ersten Blick zwar gewisse Ähnlichkeiten aufweisen, sich jedoch in einer asymmetrischen Machtkonstellation gegenüberstehen: im Unterschied zur Jugendhilfe hat die Schule einen Pflichtcharakter und verfügt durch die Erteilung eines formalen Bildungszertifikates über eine Allokationsfunktion, von Seiten der Jugendhilfe besteht die Befürchtung, in der Kooperation als vermeintlich kleiner Partner, der aber über erhebliche finanzielle Ressourcen verfügt, von der Schule instrumentalisiert zu werden (Knauer in Deinet/Icking, 35f.).
Was die konkret beteiligten Professionen betrifft, nämlich Sozialarbeiter_innen und Lehrer_innen, liegen gewisse Spannungen aufgrund der unterschiedlichen pädagogischen Ansätze und vor allem aber der Ausbildung zunächst einmal in der Natur der Sache. Auch sollte der objektiv vorhandene Statusunterschied nicht ganz vergessen werden: während Lehrer_innen oft über einen Beamtenstatus oder zumindest öffentlich-rechtlichen Anstellungsstatus mit einer vergleichsweise hohen Gehaltseinstufung verfügen, befinden sich Schulsozialarbeiter_innen oft in einer unsicheren Beschäftigungslage.
V. Mögliche Lösungsansätze für eine erfolgreiche Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule bei der Schulsozialarbeit
Dass die Schulsozialarbeit institutionell bei der Jugendhilfe und nicht in der Schule verankert sein soll, liegt auf der Hand, sowohl aus praktischer als auch wissenschaftlich Perspektive. Es geht vor allem darum, eine wichtige „strukturelle Brücke“ für eine adäquate Bearbeitung der Aufgaben zur Verfügung zu haben, aber auch die Schulsozialarbeiter_innen davor zu schützen, in der Schule zu Leiharbeiter_innen für Krisenfälle zu werden, was sie an der notwendigen Fokussierung auf ihre sozialpädagogische Aufgabe hindert. Wie das Beispiel Düsseldorf gezeigt hat, ist auch eine Einbindung der Schulsozialarbeiter_innen in schulübergreifenden Teams offensichtlich hilfreich, um die wohl unvermeidliche „Einzelkämpfersituation“ an den jeweiligen Schulen durch einen regelmäßigen Austausch mit den Kolleg_innen etwas kompensieren zu können. Zudem sollte diesbezüglich auch innerhalb der Schule sichergestellt werden, dass es innerhalb des Lehrerkollegiums einen festen Ansprechpartner gibt. Wie sich die Situation in Berlin im Einzelnen tatsächlich darstellt, ist zu evaluieren.
Rein verwaltungstechnisch kann als ein möglicher Ansatzpunkt für die institutionelle Absicherung einer Öffnung des Schulsystems auch schon die Zuständigkeitstrennung für den Bereich Schule gesehen werden, auf die auch schon der Berliner LJHA in seinem Beschluss hingewiesen hat: für die äußeren Angelegenheiten wie Gebäude oder Essen ist das bezirkliche Schulamt, die inneren Angelegenheiten, zu denen auch die Jugendarbeit und Schulsozialarbeit an den Schulen gehört, liegen jedoch in der Verantwortung der Senatsverwaltung!
Eine lebensweltorientierte Schulsozialarbeit bietet gegenüber dem Ansatz eines reinen Schulstandortes den großen Vorteil, dass bei letzterer die Kooperation mit anderen Institutionen eher ein „Nebenprodukt“ ist und Schulsozialarbeit_innen relativ schnell in die Rolle von Einzelkämpfer_innen geraten. Bei der Lebensweltorientierung hingegen wird das System Schule durch die Kooperation mit außerschulischen Institutionen geöffnet und die Vernetzung im Sozialraum nachhaltig unterstützt, was langfristig nur zu positiven Effekten führen kann. Allerdings weist auch Deinet (a.a.O.) darauf hin, dass der „Nachteil“ hier in hohen Kompetenzanforderungen an die Schulsozialarbeit_innen sowie der Gefahr eines gewissen „Verzettelns“ liegen könnte, um dann richtigerweise auch gleich auf die notwendige Konsequenz zu verweisen: es handelt sich hier nicht um ein Feld für Berufseinsteiger, sondern eher für Kräfte, die schon über Erfahrungen in der Jugendhilfe verfügen und aufgrund des Agierens in zwei unterschiedlichen Systemen mit je unterschiedlichen Erwartungshaltungen über ein entsprechend entwickeltes „Standing“ verfügen sollten. Da selbst eine Trägerschaft durch die Jugendhilfe nicht zwingend die Definitionsmacht für den Arbeitsauftrag oder Kontrolle der Erfüllung garantieren kann, hat Rademacker (in Pötter/Segel: 2009, 18) völlig zu Recht auch darauf hingewiesen, dass genau aus diesem Grund sowohl die Qualität der Schulsozialarbeit als Leistung der Jugendhilfe als auch die sozialpädagogische Fachlichkeit des Personals ganz entscheidend sind. Aus Sicht der Jugendhilfe sind (unter Anlehnung an Thim in Deinet/Icking: 2010, 83ff.) vor allem an Ganztagsschulen folgende qualitative Kooperationsstandards wichtig:
- geeignete Räumlichkeiten bzw. Nutzungsselbstverständlichkeiten innerhalb der Schule,
- Qualitätsentwicklung der Vorhaben am Standort,
- Ergänzende Lerngelegenheiten in Räumen außerhalb des schulischen Milieus,
- Vertragliche Gestaltung und Festlegung fachlicher Standards,
- Von Gleichwertigkeit geprägte Arbeitsteilung.
Ein wichtiger Aspekt ist aber auch die Wahl des richtigen Kooperationsmodells: dass das sogen. Integrations- bzw. Subordinationsmodell aufgrund der damit verbundenen Autonomiebeschränkungen und Instrumentalisierungsgefahr für die Schulsozialarbeiter_innen mehr als ungeeignet ist, liegt auf der Hand. Auch das sogen. Distanzmodell mit seiner additiven Struktur ist kritikwürdig: zwar ist die Schulsozialarbeit hier nicht der Schulverwaltung untergeordnet und sie verfügt über einen hohen Grad an Autonomie, jedoch besteht hier nur ein loser Kontakt zwischen beiden Bereichen und die Schulsozialarbeit läuft Gefahr, sich als Opposition zur Schule zu verstehen. Eine wirkliche Kooperation ist hier nicht nur sehr unwahrscheinlich, sondern auch gar nicht gewollt. Wirklich erfolgversprechend kann nur ein Kooperationsmodell im Sinne eines kritisch integrierten Arbeitsfeldes sein: dieses beruht vor allem auf wechselseitiger Ergänzung. Hierfür ist eine Öffnung der Schule für außerschulische Belange notwendig. Die Vorteile sind offensichtlich: so kann nicht nur eine Instrumentalisierung der Schulsozialarbeit vermieden werden, sondern es bietet auch die Möglichkeit, Schüler_innen mit großer Aversion gegenüber der Schule anzusprechen und Rollenkonflikte zu vermeiden. Schulsozialarbeiter_innen können sich von Lehrer_innentätigkeiten distanzieren und ihnen ist durch individuelles Arbeiten mit Schüler_innen und einer Orientierung am Schulalltag ein Einfluss auf die schulische Sozialisation ohne Abgabe eigener Zuständigkeiten möglich. Wenn hier auf beiden Seiten eine entsprechende Akzeptanz und Kooperationsbereitschaft herrscht, dann ist eine wichtige Voraussetzung für eine Öffnung des sonst noch oft starren Schulsystems gegeben. Unbedingt notwendig ist hier jedoch eine verbindlich geregelte Struktur der Zusammenarbeit.
Sehr wertvoll sind aus meiner Sicht die Empfehlungen, die aus den Erfahrungen in Sachsen-Anhalt abgeleitet wurden, was das teilweise problematische Verhältnis zwischen den beiden Professionen betrifft:
- so sollte vor der Initiierung der jeweiligen Schulsozialarbeitskonzeption auf der Ebene der Einzelschule darauf geachtet werden, dass der konkrete Kooperationsbedarf von beiden Seiten mit einer genauen Situationsanalyse begründet wird,
- die innerschulische Kooperation sollte durch eine schulinterne Projektgruppe gefördert werden,
- ein gegenseitiges Kennenlernen der jeweiligen Sichtweisen, Identitäten und Handlungssituationen kann die Anerkennung der jeweils anderen Profession nur erleichtern,
- institutionell und strukturelle Spannungen zwischen den beiden Berufsgruppen sowie veränderte Sozialisationsbedingungen machen gemeinsame kontinuierliche Fortbildungen notwendig.
Abschließend kann, was das Verhältnis beider Professionen betrifft, wohl folgendes festgehalten werden: erst eine Anerkennung der Differenz und die Entwicklung von Kooperationsbeziehungen mit differenzierten Handlungsbereichen und Zuständigkeiten können die Basis für eine fruchtbare Austauschbeziehung bilden. Dies kann zumindest langfristig nur mit einer professionellen Kultur einer Verständigung zwischen Lehrer_innen und Sozialpädagog_innen einhergehen.
1 also des Teiles von Schule, der ausschließlich für die Gebäude und die Vergabe der Schulplätze verantwortlich ist und mit inhaltlicher pädagogischer Arbeit wenig oder gar nichts zu tun hat.