“Rummelsburger Bucht für alle” – mein Standpunkt

Rummelsburger Bucht

Gestern hat das Abgeordnetenhaus eine Entschließung zur Volksinitiative “Bucht für alle” zur Rummelsburger Bucht gefasst. Meine Kollegen Georg Kössler, Dr. Stefan Taschner und ich haben uns der von der Koalition eingebrachten Entschließung bewusst nicht angeschlossen, weil wir den für die Bucht beschlossenen Bebauungsplan und sein Verfahren für falsch halten. Hierzu haben wir eine gemeinsame, persönliche Erklärung zu Protokoll gegeben, deren Wortlaut ist: 

“Wir stimmen heute bewusst anders ab als unsere Fraktion, da wir den Bebauungsplan für die Rummelsburger Bucht insgesamt für falsch halten und auch ein anderes Verfahren für richtig empfunden hätten. Der Bezirk hat hier vor allem Baurecht für Investoren, die keine Gemeinwohlorientierung in ihrer Planung durchblicken lassen, geschaffen und teilweise schon häufig bewiesen haben, dass es ihnen grundsätzlich nur um die Maximierung ihrer eigenen Gewinne geht.

Der Anspruch des Bezirksamtes und der BVV hätte sein müssen, die Interessen aller Beteiligten in einen schonenden Ausgleich miteinander zu bringen, wie es auch die baurechtlichen Regelungen verlangen, anstatt die Wünsche der Investoren zu befriedigen. Wir können zudem nicht erkennen, dass die Planungen eine sinnvolle Nutzungsmischung herstellen, die den stadtentwicklungspolitischen Zielen der Koalition entspräche. Dringend benötigte Flächen für zum Beispiel einen Schulneubau werden hier scheinbar bedenkenlos dem hochpreisigen Segment des Mietmarktes übergeben und berechtigte Proteste vieler Bürger*innen auch über die Grenzen des Bezirkes Lichtenberg hinaus vollends ignoriert. Langfristig werden in den angrenzenden Gebieten wohl ungefähr 10.000 Schulplätze fehlen. Durch die Bebauung wird außerdem eine große Menge an Fläche verdichtet und Stadtgrün zerstört, auf das wir aus Gründen des Umwelt- und Naturschutzes dringend angewiesen wären. 

Außerdem werden dort gewachsene kulturelle Strukturen verdrängt, die angesichts der angespannten Situation in der Stadt wohl keine geeigneten Ersatzimmobilien finden werden.
Gerade der Bedarf der Stadt für Kultur- und Grünflächen muss von uns aktiver beantwortet werden, als immer wieder Flächen aufzugeben. An der Rummelsburger Bucht wurde mit dem alternativen Planungsentwurf der Initiative „Rummelsburger Bucht retten“ genau dies als Möglichkeit aufgezeigt. Das geplante Korallen-Aquarium „Coral World“ passt nicht zu den Zielen eines nachhaltigen Tourismus an diesem Ort und ist außerdem aus Sicht des Tierschutzes höchst fragwürdig und hätte genauer geprüft werden müssen. 

Die Korrekturen des Bezirks wirken auf uns sehr halbherzig. Es schien den handelnden Personen stets darum zu gehen, möglichst schnell möglichst viel der alten Pläne umzusetzen. Der berechtigte Protest vieler Bürger*innen auch über die Grenzen des Bezirkes Lichtenberg hinaus wurde dabei einfach ignoriert. 28.000 Unterschriften von Bürger*innen belegen jedoch deutlich, dass es sich bei den Gegner*innen des von Bezirksamt und BVV beschlossenen Bebauungsplanes keineswegs um eine kleine Randgruppe handelt, sondern um eine ernstzunehmende Gruppe der Bevölkerung Berlins. Auch wenn es einen weiteren Zeitverzug mit sich gebracht hätte, erfordert eine nachhaltige Stadtentwicklung Zeit und Geduld. Das Durchpeitschen der Entscheidung in der BVV Lichtenberg am 29. April 2019 entspricht nicht dem Anspruch, den wir als rot-rot-grüne Koalition gegenüber der Stadt haben. Wir erkennen Realitäten an, aber wir müssen die Rummelsburger Bucht zum Anlass nehmen, unseren Einsatz für eine nachhaltige „Stadt für alle“ weiter zu verstärken

Der lapidare Verweis von Bezirksamt und Senat auf einen Zeitverzug oder die hohen Kosten einer Planungsänderung  bzw. einer Rückabwicklung des Verkaufes der Grundstücke im Jahr 2016 erfüllt für uns als gewählte Vertreter*innen der Bürger*innen Berlins keinesfalls den Selbstanspruch, den eine demokratische und gemeinwohlorientierte Stadtpolitik an sich haben muss. Wir hätten in der Entschließung daher wenigstens einige selbstkritische Worte erwartet – doch dafür fand sich keine Mehrheit in der Koalition. Dabei muss progressive Politik auch in der Lage sein sich selbst zu revidieren. 

Ein verantwortungsvoller Umgang mit dem knappen Gut „öffentlicher Raum“ und ein respektvoller Umgang mit dem Interesse der Bürger*innen an einer “Stadt für alle” sieht unseres Erachtens deutlich anders aus. Mit der Entschließung des Abgeordnetenhauses von Berlin wurde eine Chance vertan, zu zeigen, dass wir das wirklich ernst meinen. “

Marianne Burkert-Eulitz, Georg Kössler, Dr. Stefan Taschner