Meine Anfrage: Der Senat will Jugendgewalt bekämpfen – aber hat er auch die Bezirke im Blick?

Bild: Pixabay

Am 11.1. und 22.2.2023 haben zwei Gipfel gegen Jugendgewalt stattgefunden. Nach den Ausschreitungen der Silvesternacht 2022 wurden diese von der ehemaligen regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) initiiert und unter ihrer Leitung durchgeführt. Als Ergebnis der beiden Gipfel beschloss der Senat in einem „Maßnahmenpaket zur Prävention von Jugendgewalt in den Jahren 2023-25“ 20 Millionen Euro für das Jahr 2023 und 70 Millionen Euro für das Jahr 2024 für die Bekämpfung von Jugendgewalt bereitzustellen. 

Doch inwiefern solche ad-hoc-Aktionen Problematiken der Jugendgewalt in den Bezirken tatsächlich lösen oder durch ihren Schaufenstercharakter nur der Profilierung einzelner Politiker*innen im Wahlkampf dienen sollen, bleibt offen. 

Mit den Vorhaben sollen laut Senat „vor allem bestehende Strukturen gestärkt und bewährte Maßnahmen und Best-Practice-Beispiele auf weitere Bezirke und Bereiche ausgeweitet werden.“ Die Bezirke sollen mehr finanzielle Mittel für die Jugendarbeit erhalten, um „wichtige Präventionsarbeit dauerhaft abzusichern und die richtigen Unterstützungsangebote bereitzustellen.“ Es soll z.B. in die Sanierung von Jugendfreizeiteinrichtungen, in sportorientierte Jugendsozialarbeit, mehr Stellen für die Schulsozialarbeit aber auch in die Schaffung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bearbeitung von Delikten der Jugendgewalt investiert werden. Mitte März 2023 hat der Senat das Maßnahmenpaket zwar schon beschlossen, aber über die genaue Verteilung der Mittel noch nicht entschieden.

Die Bezirke als geladene Zuschauer

Da im Land Berlin die Bezirke für die Jugendarbeit zuständig sind, stellte ich eine parlamentarische Anfrage (Anfrage und Antworten darauf lesen Sie unten) um den Umfang der Kooperation des Jugendgipfels mit den Bezirken und die Langfristigkeit der erarbeiteten Maßnahmen in Erfahrung zu bringen.   

In den Antworten des Senats heißt es: „Eine Umsetzung des … Maßnahmenpaketes ist nur durch die Einbindung von und eine gute Verzahnung mit den Bezirken zu gewährleisten“. 
Verwundern tut dann aber sehr, dass die Bezirksbürgermeister*innen der 5 betroffenen Bezirke zwar zum Gipfel eingeladen, aber dort nur noch Ergebnisse vorgetragen wurden. An den entscheidenden Vorbereitungsrunden für den Senatsbeschluss durften die Bezirke nicht teilnehmen. Das deutet einmal mehr darauf hin, dass in einer Schaufensterveranstaltung die Bezirke publikumswirksam anwesend sein dürfen, am Ende aber der Senat das Geld unter sich zu verteilen scheint und die Bezirke leer ausgehen lässt. Zumindest lassen sich aktuell keine zusätzliche Mittel für die Jugendarbeit im Aufstellungsrundschreiben für die Bezirke finden.

Langfristigkeit in der Jugendarbeit

In den Antworten auf meine Anfrage erklärte der Senat weiterhin, dass mit dem beschlossenen Maßnahmenpaket keine neuen Parallelstrukturen zu schon bestehenden Angeboten und damit auch keine Konkurrenzsituation auf dem Fachkräftemarkt geschaffen werden soll. Jedoch wurde uns von den Jugendämtern zurückgemeldet, dass die Kurzfristigkeit der Maßnahmen die Jugendämter vor immense Schwierigkeiten bei der Verteilung der Gelder stellen. Welche*r Sozialpädagog*in ist schon bereit, einen Vertrag für nur 4 Monate abzuschließen? 

Eine Langfristigkeit der Vorhaben auch nach 2025 soll, laut Senat, durch die Erarbeitung einer Jugendstrategie und der Implementierung eines ressortübergreifenden Steuerungsgremiums zur Umsetzung dieser gegeben sein. Ob die Bezirke an dieser Stelle eingebunden werden und ausreichend Mittel zur Verfügung stehen bleibt auch hier abzuwarten.

Als Fazit ist positiv zu bewerten, dass die auf dem Jugendgipfel angekündigten Vorhaben vor allem bereits vorhandene Strukturen in den Bezirken stärken sollen. Aber nun müssen darauf basierend Taten folgen, die der Logik der Nachhaltigkeit entsprechen. Bis jetzt muten die formulierten Maßnahmen wie ein Wünsch-dir-was-Katalog an, ohne dass konkrete Projekte vorangebracht wurden. Inwiefern die neue Regierung ins Handeln kommt und einer zeitnahen und sinnhaften Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen in den Bezirken die entsprechende Priorität einräumt wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Die Zukunft unserer Jugendlichen sollte uns dies, vor allem in krisenbehafteten Zeiten, wert sein – auch ohne Krawalle.

Meine Anfrage dazu finden Sie hier:

S19-15147