Die Versorgung Berlins mit Kitaplätzen wird zunehmend zum Problem. Dabei fehlt es nicht nur an der Zahl der Kitas, sondern auch an der Qualität der Betreuung. Der Senat hat kein Konzept für eine ausreichende personelle Ausstattung, um pädagogisch angemessene Gruppengrößen zu garantieren. Insbesondere der Personalschlüssel für die unter Dreijährigen muss schrittweise verbessert werden, denn Berlin belegt im Bundesvergleich mit großem Abstand den letzten Platz. Die Zahl der zu betreuenden Kinder ist hier doppelt so hoch, wie es pädagogisch als angemessen betrachtet wird.
Fehlende Kitaplätze
Erfreulicherweise gibt es in Berlin wieder mehr Kinder als noch vor kurzem prognostiziert. Die Geburten steigen, Familien ziehen nach Berlin und eine wachsende Anzahl von Flüchtlingen kommen hinzu. Es werden also dringend etwa 10.000 zusätzliche Plätze gebraucht. Dazu kommt, dass die frühe Einschulung der Fünfjährigen auch in Berlin wieder zurückgenommen werden soll. Die Kinder bleiben entsprechend länger in der Kita. Dafür braucht Berlin nochmals mindestens 5.000 zusätzliche Plätze.
Bisher waren die Kitaträger, die die Kitas in Berlin betreiben, in der Lage, viele neue Plätze, mit relativ geringer staatlicher Förderung, zu schaffen. Aber sie geraten jetzt an ihre Grenzen. Die möglichen Erweiterungen in bestehenden Kitas sind bereits weitgehend erfolgt. Es gibt kaum noch eine Kita, in der nicht längst auch der letzte Abstellraum zur Gruppenfläche umgebaut wurde, um mehr Kinder unterbringen zu können. Anmietungen sind wegen der steigenden Mieten in Berlin kaum noch möglich. Im Gegenteil: Es mussten schon die ersten Kitas das Feld räumen, weil die Vermieter zahlungskräftigere Mieter gefunden haben.
Es müssen jetzt vermehrt Kitas neu gebaut werden und das ist teuer. Ohne verstärkte staatliche Investitionen wird es nicht gehen. Seriöse Kitaträger können aus dem Betrieb von Kitas keine Gewinne erwirtschaften, die große Investitionen möglich machen könnten. Sie erhalten für jeden Kitaplatz nur 93 Prozent der Kosten und dürfen keine Zusatzbeiträge für den normalen Betrieb von den Eltern erheben. Wenn die Hälfte der benötigten zusätzlichen Plätze als Neubauten errichtet werden, dann braucht man dafür insgesamt etwa 250 Mio. Euro. Im Haushalt eingestellt hat Berlin für dieses Jahr nicht einmal 50 Mio. Euro. Die Erwartung, dass die Kitabetreiber die Hauptlast schultern, wie bisher, ist aber nicht mehr realistisch.
Die Kitaplätze sind in der Stadt sehr unterschiedlich verteilt, und leider gehören zu den Quartieren mit großem Bedarf auch viele Gebiete mit hoher sozialer Belastung. In der Innenstadt, wo der Bedarf besonders groß ist, wird es auch immer komplizierter geeignete freie Grundstücke zu finden. Bisher hat sich der Senat bei der Bereitstellung von landeseigenen Grundstücken keine besondere Mühe gegeben. Immer noch werden Grundstücke lieber meistbietend verkauft, als für soziale Zwecke bereitgestellt. Ebenso wird die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geforderte Übergabe von Grundstücken mit sozialer Zweckbindung an Träger zu günstigen Pachten oder symbolischen Preisen von den Koalitionsfraktionen SPD und CDU blockiert.
Fehlendes Kitapersonal
Neben den fehlenden Räumen ist für Berlin das fehlende Fachpersonal genauso entscheidend dafür, dass es immer schwieriger wird, die Rechtsansprüche der Familien auf eine gute Betreuung für ihre Kinder zu erfüllen. Schon jetzt fehlt in den Kitas Personal. Die Familien erleben täglich, dass Gruppen zusammengelegt werden müssen, wenn sich jemand krank melden muss. Reserven sind schon lange nicht mehr vorhanden. Inzwischen wissen wir auch, dass der Betreuungsschlüssel gerade für die Kleinsten unter drei Jahren völlig unzureichend ist. Berlin trägt hier bundesweit die rote Laterne. In Berlin kommen auf eine Fachkraft 6,6 Kinder, in den meisten westdeutschen Bundesländern sind es zwischen 3 und 4 Kindern. Pädagogisch anzustreben ist eine Richtzahl von 3 Kindern unter drei Jahren, damit gerade die Kleinsten die nötige Aufmerksamkeit und Förderung erhalten.
In Berlin sind sich alle einig, dass eine gute frühe Bildung in der Kita der entscheidende Baustein dafür ist, allen Kindern gute Bildungs- und Entwicklungschancen zu ermöglichen. Deshalb wurden auch gute Entscheidungen getroffen für das Fachkräfteangebot, das verhindern soll, dass Kitas zu Aufbewahrungseinrichtungen verkommen. Ebenso zu nennen sind das das weithin anerkannte Berliner Bildungsprogramm und das Sprachlerntagebuch, die die Chancengerechtigkeit für alle Kinder verbessern sollen. Aber diese guten Entscheidungen nützen wenig, wenn das Personal fehlt, um sie umzusetzen. Auch hier muss Geld in die Hand genommen werden. Ein erster Schritt zur Verbesserung des Personalschlüssels würde bereits etwa 100 Mio. Euro kosten. Eine deutlich bessere Ausstattung der Kitas würde schon etwa 250 Mio. Euro pro Jahr kosten. Bisher ist nicht zu erkennen, dass der Senat über eine solche Finanzierung nachdenkt.
Aber selbst wenn Berlin bereit wäre diese Summen aufzubringen, gäbe es zur Zeit nicht genügend Fachkräfte. Die Ausbildung wurde jahrelang vernachlässigt und die Attraktivität des Berufes ist der Verantwortung und der körperlichen Anstrengung in diesem Beruf nicht angemessen. Der Beruf der Erzieherin ist wie viele traditionelle Frauenberufe unterbewertet, und so lange das so bleibt, werden auch Kampagnen für mehr Männer in den Kitas keinen durchschlagenden Erfolg zeitigen. Aber auch in der Konkurrenz der Bundesländer kann Berlin kaum bestehen. Schon im Speckgürtel von Berlin mit S-Bahn-Anschluss wird besser bezahlt.
Die Familien in Berlin brauchen gute Betreuungsplätze für ihre Kinder. Diese Plätze sollten gut erreichbar sein, im Wohnumfeld liegen und flexibel geöffnet sein, damit die Familien ihr Leben und ihre Berufstätigkeit gut organisieren können. Die Kitaplätze müssen jederzeit verfügbar sein, nicht nur zu Stichtagen – denn Kinder werden nicht passend zu Einschulungsterminen geboren – und in so ausreichender Zahl, dass die Familien ihre Kita auswählen können und nicht einfach nehmen müssen, was da ist. Darauf haben die Familien in Berlin übrigens auch einen gesetzlich verankerten Anspruch.
Senat ohne Plan
Wenn Berlin seinen Bürgerinnen und Bürgern, diese Kitaplätze zur Verfügung stellen will, muss viel getan werden. Der Senat muss die finanziellen Schwerpunkte für den Kitaausbau anerkennen.
Ein Stufenplan zur Erreichung der Ziele, ausreichende Räume und Freiflächen und ausreichendes, gut qualifiziertes Fachpersonal, muss erarbeitet werden. Bisher fehlt es an allen Ecken, nicht einmal die Bedarfsprognosen liegen seriös vor, geschweige denn eine Planung für die Zukunft.
Stattdessen wird in der SPD schon wieder über eine Ausweitung der Beitragsfreiheit diskutiert. Darüber kann man nachdenken, wenn die bedarfsgerechte Versorgung mit guten Kitaplätzen gesichert ist. Bis dahin ist eine unbürokratische und sozial angemessene Staffelung von Beiträgen anzustreben, die eine Verbesserung der Situation in den Kitas ermöglicht. Geld muss zuerst in einen schnellen Ausbau und in gute pädagogische Qualität fließen – da ist noch sehr viel zu tun.
Auch Debatten über eine Kitapflicht, die zweifelhaften Sprachtests und die Zwangsgeldandrohungen für Familien helfen nicht wirklich weiter. Wenn wir wollen, dass alle Kinder die Chancen erhalten, die sie verdienen, brauchen die Familien keinen Druck, sondern ein gutes Angebot an Kitas. Dazu muss sich der Senat endlich an die Arbeit machen, verlässliche Zahlen vorlegen und eine finanziell abgesicherte Planung für einen qualitativ guten Kitaausbau vorstellen.