Bericht vom Kiezgespräch: „Tourismus im Kiez – Friedrichshain zwischen Urlaub und Alltag“

Am 03. April 2014 fand das erste Kiezgespräch in unserem neuen Wahlkreisbüro „Grüne Box“ in der Boxhagener Straße statt.
Auf meine Einladung hin diskutierten Dr. Peter Beckers, Bezirksstadtrat für Wirtschaft, Ordnung, Schule und Sport (für die SPD), Julian Schwarze, Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung für die Grünen, sowie Michael Näckel vom DEHOGA Berlin e.V. mit interessierten Anwohner_innen darüber, wie ein Miteinander von Kiezalltag und Tourismus aussehen kann, wo Probleme, wo Chancen und wo Lösungsmöglichkeiten liegen.
Mit rund 27 Millionen Übernachtungen im vergangenen Jahr ist der Tourismus in Berlin ein starker und stetig wachsender Wirtschaftszweig. Bereits 2011 war der Bruttoumsatz der Branche jeweils um das vierfache höher als in den Branchen Bau und Industrie. Dennoch dürfe der Tourismus nicht nur aus dieser Perspektive betrachtet werden, fordert Julian Schwarze. Dazu gehöre auch eine Tourismusplanung für die gesamte Stadt, die insbesondere den besonders beliebten und daher stark besuchten Bezirken wie Friedrichshain-Kreuzberg zugute käme. Hierzu würde dann z.B. auch eine kritischere Prüfung von zu genehmigenden Neubauten von Hostels und Hotels in Wohngebieten gehören. Tourismus muss kiezverträglich sein, Anwohner_innen müssen einbezogen und es muss grundsätzlich auf sie Rücksicht genommen werden. Hierbei war sich das Podium einig.

Die Akzeptanz des Berlin-Tourismus sinkt insbesondere in den Innenstadtbezirken, die umfassend von der Zahl der Besucher_innen betroffen sind. Dr. Peter Beckers betonte, dass hier die Zusammenarbeit der Innenstadtbezirke notwendig sei, um auf die Probleme des „Sauftourismus“ hinzuweisen. Nur so könne ein Problembewusstsein auf Landesebene und in den nicht betroffenen Berliner Bezirken geschaffen werden und die Situation geändert werden. Friedrichshain-Kreuzberg allein könne diesbezüglich nicht viel erreichen.

In der Diskussion wurde deutlich, dass viele Anwohner_innen nächtlichen Lärm als Problem emp­finden, ihnen allerdings unklar ist, wie auf die Lärmbelästigung reagiert werden soll. Ein Anwohner fasste es gut zusammen, indem er sagte, er wohne ja nicht umsonst in Friedrichshain, er wolle hier bleiben, brauche aber leider trotzdem seinen Schlaf. Aus diesem Dilemma heraus, reagieren viele Nachbar_innen gar nicht, resignieren oder ziehen weg.
Herr Näckel vom Hotel- und Gaststättenverband Berlin betonte, das die DEHOGA ebenfalls daran arbeitet, das Miteinander aller Akteure zu stärken. Dies könne zum Beispiel mit einer gut aufgemachten „To Do and Not To Do“-Liste durch Betreiber_innen von Bars, Restaurants und Hotels zur stärkeren Sensibilisierung der Tourist_innen geschehen.
Neben der Forderung, die Außenbestuhlung drastisch zu beschränken, gab es auch einen konkreten Vorschlag eines Anwohners: das Aufhängen von uhrzeitabhängigen Dezibel-Messgeräten mit Anzeigen, damit die draußen sitzenden Bar- und Restaurantgäste ihre Gesprächslautstärke selbst regulieren können.

Eine stärkere Präsenz von Ordnungsamt, Polizei oder Wachschutz stieß bei fast allen Anwesenden auf Ablehnung. Hingegen gibt es ein Pantomime-Projekt der Clubcommission, das für mehr Rücksicht auf die Anwohner_innen wirbt. Die vorgestellten Lösungsmöglichkeiten kosten leider Geld und da das Land die Zusage für die Abgabe der Hälfte der Citytax-Einnahmen zurückgenommen hat, fehlt den Bezirken das Geld für eben solche Projekte. Das Land hätte dieses Geld, schließlich ist viel Geld wie etwa für den Flughafen BER, die Staatsoper oder den Neubau der Zentral- und Landesbibliothek da.

Grundsätzlich zeigte sich, dass die Handlungsmöglichkeiten des Bezirks stark begrenzt sind. Dr. Beckers verwies jedoch auf den §15 der Baunutzungsverordnung. Hier bietet sich die Möglichkeit, bei einer entsprechenden Auslegung des Baurechts, die Eröffnung von weiteren Bars oder Hostels bezirksseitig zu unterbinden, um so eine nachhaltige Veränderung des Charakters des Wohngebiets zu verhindern.

Für die Anwendung dieses Paragraphen ist allerdings eine genaue Kartierung der Wohngebiete in Friedrichshain-Kreuzberg notwendig. Doch auch hierfür fehlt dem Bezirk das Geld.
Abgesehen von der Nutzung des §15 der Baunutzungsverordnung kann der Bezirk nicht steuern, wer wo welchen Laden eröffnet.
Julian Schwarze wies darauf hin, dass die Grünen bereits seit längerem für die Entwicklung neuer Instrumente, bspw. eines Hotelentwicklungsplans kämpfen. Dieser ist angelehnt an die bisherigen Entwicklungspläne für Einkaufszentren und Baumärkte. Bisher ist der Aufbau eines solchen Hotelentwicklungsplans jedoch nicht umgesetzt. Auch hier wäre eine gemeinsame Initiative der Innenstadtbezirke wünschenswert.
Zum Abschluss wurde noch einmal darauf verwiesen, nicht nur auf die Landespolitik zu warten, wir Anwohner_innen können selbst aktiv werden und müssen die Dinge auch selbst in die Hand nehmen.

Verwandte Artikel